Kleiner Sturm - Große Wirkung
Auch wenn es im Wolfspark Werner Freund keinen Keller gibt der voll laufen kann, so hat das Unwetter am Donnerstag dem 20.06.2013 doch einigen Schaden hinterlassen.
Während wir morgens noch ganz gut davon gekommen sind hat es den Wolfspark dann Abends aber umso schlimmer erwischt.
Anbei ein kleiner Tagebucheintrag wie so ein Abend für Mitarbeiter dann abläuft:
Nur zur Info: Dieser Bericht beruht auf meinen persönlichen subjektiven Erinnerungen.
Tatjana und ich saßen zuhause vor dem TV wie sich allmählich der Himmel zugezogen hat. Gegen 20:00 Uhr hat man uns angerufen und informiert, dass es in der Stadt Merzig doch schon ganz schön stürmt.
Die regenfesten Sachen hatte ich schon raus gelegt. Also schnell anziehen, Taschenlampe holen und ab ins Auto. Wir benötigen ungefähr 15 Minuten bis nach Merzig. Allerdings konnten wir nicht so schnell fahren, da auch auf den Straßen ganz schön was los war.
In Merzig haben wir noch einen Kollegen abgeholt, der an einer Bushaltestelle schon auf uns wartete.
20:30
Ankunft bei Werners Haus und schon der erste Schreck. Im Aufzuchtgehege sind vier Bäume entwurzelt worden. Drei Birken sind direkt im Gehege umgefallen und haben den Zaun nirgends berührt. Der vierte Baum wurde durch andere Bäume aufgehalten, hängt aber bedrohlich über dem Außenzaun in Richtung Wald.
Jetzt wissen wir es ist wirklich ernst. Bisher haben wir uns nur vorsorglich auf den Weg gemacht.
Während ich meine Regenjacke anziehe redet Tatjana mit Werner. Ein Baum ist im Wald auf den Weg gefallen. Mit dem Auto ist kein Durchkommen.
Unser Freund und ich schnappen uns je eine Kettensäge und wir machen uns mit Tatjana hinter dem Aufzuchtgehege über einen kleinen 30m Trampelpfad auf zum Betriebsweg des Wolfsparks.
Auf dem Weg sehen wir, dass der große Baum in einem weitern Teil des Aufzuchtanlage auch vom Blitz getroffen wurde und teils auf dem Zaun, teils im Gehege liegt. Der Zaun ist aber nicht wirklich beschädigt. Im Moment ist da alles in Ordnung.
Im Wald trennen wir uns. Tatjana kontrolliert die Südanlage mit den kanadischen, mongolischen und schwedischen Wölfen. Ich gehe die Anlage der Polarwölfe rundum ab.
Unser Kollege macht sich auf zum Baum.
Zu meiner Erleichterung finde ich keine umgefallenen Bäume und auf Zuruf zeigen sich alle Wölfe. Sie haben sich zurück gezogen und trauen dem ganzen Unwetter nicht.
Nur bei den Polarwölfen von 2005 liegen ein paar Äste vor dem Zaun.
Es ist mittlerweile 21:07Uhr
Ich komme an die Ecke der schwedischen Wölfe und rufe Tatjana zu, dass alles in Ordnung ist. Gleichzeitig sehe ich dass auf dem Weg längs der schwedischen Wölfe der besagte Baum liegt. Der Kollege hat die Kettensäge schon in Betrieb.
Gleichzeitig frage ich Tatjana ob bei ihr auch alles in Ordnung ist. Ihre Antwort kann ich durch die Distanz und den Kettensägenlärm erst nicht verstehen und rufe ihr noch mal zu. Sie ruft: "NEIN".
Meine Gelassenheit und Erleichterung die sich nach meinem Rundgang bei den Polarwölfen aufgebaut hat ist sofort weg. Ich weiß noch nicht was los ist aber, dass etwas ist, ist schlimm genug. Ich renne sofort zu Tatjana in die Schleuse zwischen den mongolischen und den schwedischen Wölfen.
Tatjana erklärt mir in kurzen Worten, dass wir dringend die schwedischen Wölfe in ihr Ausweichgehege bringen müssen, da ein Baum zwischen Mongolen und Schweden gefallen ist und die Wölfe zueinander kommen könnten. Werner lockt die Mongolen am anderen Ende der Gehegeanlage um sie fern zu halten. Allerdings haben die Beiden nur 3 Mongolen gesehen.
Tatjana und ich suchen erst einmal die schwedischen Wölfe im Gehege. Auch ist nicht bekannt ob sich nicht schon mongolische Wölfe im Schwedengehege befinden. Oder umgekehrt.
Wir rufen und locken. Unter einem Baum sehen wir dann Huka. Bei einem solchen Sturm sind alle Wölfe scheu und ängstlich. Huka geht es nicht anders. Sie traut sich nicht unter dem Baum vor und will uns auch nicht so recht begrüßen.
Erst wie ich mich hinsetze kommt sie mit eingezogener Rute angerannt. In dem Moment, in dem mich ihre Nasenspitze erreicht beginnt sie mich sofort stürmisch zu begrüßen. Nach dem Motto "Gott sei dank, dass ihr da seit. Vielleicht wisst ihr mehr was hier passiert". Sekunden später ist auch der Rest des Rudels da und begrüßte abwechselnd Tatjana und mich.
Ich versuche durch ein schnelles Laufen, die Wölfe dazu zu bewegen mich zu verfolgen. Wir müssen durch eine Schleußentür mit Schieber in das Nachbargehege.
Ich rufe Tatjana zu, dass ich mich zum Ende des ca. 40m langen Geheges bewege und die Wölfe dort zu mir rufen werde.
Huka und Moos sind sofort bei mir. Lars fehlt und ich hab ihn nicht mehr im Blick. Allerdings erscheint er ein paar Sekunden später und ich sehe wie sich die Schleusentür senkt.
Tatjana ist zwischenzeitlich am Schieber.
Lars hat einen riesigen Fleischklumpen dabei. Futter ist in solchen Notlagen schließlich wichtig. Man weis ja nie was noch kommt und wann es das nächste Mal was gibt.
Erleichtert wird noch mal ein paar Sekunden geknuddelt und ich mache kurz ein paar Fotos wegen der Uhrzeit. Die gesamte Aktion hat genau 4 Minuten gedauert.
21:12
Es geht weiter. Die mongolischen Wölfe müssen umgesetzt werden, da sie immer noch ins Gehege der schwedischen Wölfe könnten.
Ich betrete über die Schleuse das Gehege der mongolischen Wölfe. Tatjana muss vor nur einer Minute hier gewesen sein, da in der Schleuse der Regler für die Schleusentür ist. Ich kann sie aber nirgends entdecken.
Also mache ich mich auf die Suche nach den Mongolen. Nach kurzer Zeit entdecke ich zwei von ihnen, die sich auch etwas vorsichtig nähern. Zudem höre ich Tatjana. Ich kann sie nicht sehen rufe aber rüber ob sich bei ihr Wölfe befinden. "Ja, Zwei." kommt zur Antwort. "OK. Die anderen Beiden sind bei mir". Die mongolischen Wölfe sind also auch vollzählig.
Wir besprechen mit Werner die weitere Vorgehensweise. Es ist im Moment nicht klar ob das Ausweichgehege der mongolischen Wölfe intakt ist. Wir wissen nur, dass der Baum der zu den Schweden gefallen ist die Schieberschleuse zwischen dem großen und dem kleinen Gehegeteil der mongolischen Wölfe getroffen hat und dass das Kabel zum bedienen der Schleusentür gerissen ist.
Nach einer genauen Besichtigung der Stelle wird kurzerhand entschieden, dass die Schäden am Zaun nicht weiter schlimm sind und dass wir versuchen werden die Wölfe über die Schleuse "der Menschen" in den anderen Gehegeteil zu führen.
Auch mit den besten Bemührungen will Annegret nicht in den anderen Teil wechseln. Wir versuchen es mit locken. Danach fixier ich die kaputte Schleuse mit einem Stock um auch diese zu öffnen. Es hilft alles nichts.
So sitzen wir erst mal im Regen im Wald und lassen alles erst mal setzen. Tatjana nutzt die Gelegenheit um einen Mitarbeiter der Stadt anzurufen. Wir brauchen Hilfe beim umgefallen Baum auf der Straße. Außerdem wird es langsam dunkel. Tatjana geht zurück zum Haus Futter und Draht zu holen.
21:41
Werner und ich überlegen uns wie wir weiter vorgehen. Da wir hier bei den mongolischen Wölfen nicht sägen möchten um nicht noch mehr Unruhe zu stiften entscheiden wir, dass wir die schwedischen Wölfe am Besten in das ehemalige Gehege der sibirischen Wölfe bringen.
Dann können die mongolischen Wölfe so viel sie wollen durch den großen Teil der schwedischen Gehegeanlage rennen ohne direkten Kontakt mit dem anderen Rudel zu haben.
Ich gehe los zum umgestürzten Baum, in der Hoffnung dort Tatjana zu finden, da ein Umsetzen zu Zweit deutlich einfacher ist. Am Baum angekommen stelle ich fest, dass der umgefallene Baum den Außenzaun bis zum Boden durchgedrückt hat.
Die Wölfe hätten die Anlage also jederzeit verlassen können und die mongolischen Wölfe könnten auch jetzt noch ausbüchsen. Unser Plan hat sich also gerade in Luft aufgelöst. Ich bespreche mit dem zwischenzeitlich eingetroffen städtischen Mitarbeiter, dass wir nur eine Möglichkeit haben. Wir müssen den umgefallenen Baum zwischen den mongolischen Wölfen und den schwedischen Wölfen entfernen und das Loch mit extra angeschafften Gitterelementen verschließen. Der städtische Mitarbeiter organisiert das Gitter. Ich mache mich mit der Kettensäge auf ins Gehege.
Dort treffe ich auf Tatjana, die auf Werner anraten den "alten" Plan umsetzt und gerade die Tür zum jetzt leeren Gehege der Sibirier geöffnet hat. Ich kann sie noch gerade stoppen bevor der erste schwedische Wolf rüber rennt.
Nach einer kurzen Unterhaltung erkläre ich ihr und Werner die neue Situation. Es hilft alles nichts. Wir müssen sägen.
Dummerweise ist einer der mongolischen Wölfe noch im kleinen Gehege und die Schleuse befindet sich ja direkt beim umgefallen Baum. Wenn ich die Kettensäge anwerfe wird der Wolf garantiert nicht mehr durch die Schleuse zu seinem Rudel kommen.
Aber auch das Locken mit Futter hilft nichts und die Zeit wird knapp. Mittlerweile ist es 23 Uhr.
Also säge ich auf meiner Seite des Zauns den Baum durch. Tatjana leuchtet mit der Taschenlampe. Werner kümmert sich um die mongolischen Wölfe und unser Kollege und der städtische Mitarbeiter warten mit dem Gitterelement auf der anderen Seite. Nachdem meine Seite frei ist übergebe ich dem Kollegen die Kettensäge.
Er macht von der anderen Seite Platz. Danach schieben die Beiden das Gitterelement in die mongolische Gehegeanlage und wir fixieren das Ganze mit reichlich dickem Draht.
Das hält.
23:15
Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Ich sicher noch die kaputte Schleuse mit Draht, damit diese nicht aus versehen zu fallen kann. Nach einem kurzen Plausch auf der Straße über die Arbeiten, die in den nächsten Tage zu erledigen sind, ist der Abend dann endgültig zu Ende.
Alle Wölfe sind sicher und haben diese Nacht überlebt. Die Aufräumarbeiten werden aber wohl noch ein paar Tage dauern.
Der Zaun bei den mongolischen Wölfen ist auf guten 10 Meter runter gedrückt.
Viele Grüße
Michael Schönberger